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FinCEN-Files: Was ist ein SAR?

Wie die US-Finanzaufsicht Banken auf der ganzen Welt dazu bringt, Terrorfinanzierung, Geldwäsche und Korruption zu melden – zumindest theoretisch.

Screenshots aus diversen Verdachtsmeldungen an die FinCEN.

Sie entstehen jeden Tag: Wenn jemand illegales Geld auf einem geheimen Konto einer Scheinfirma verstecken will, wenn jemand Terroristen mit Dollar versorgen, Drogengeld außer Landes schaffen oder Schwarzgeld waschen will: Jedes Mal, wenn das einer Bank auffällt, entsteht ein SAR.

Ein SAR ist eine Verdachtsmeldung, die ein Finanzinstitut an die Behörden schickt. Mit den weltweiten FinCEN-Files-Recherchen, für die mehr als 400 Journalistinnen und Journalisten tausende geleakte SARs ausgewertet haben, sind diese geheimen Dokumente nun in den Fokus geraten. Hier ist alles, was man dazu wissen muss.

Was ist ein SAR?

SAR steht für Suspicious Activity Report, auf deutsch: Verdachtsmeldung. Ein SAR ist ein offizielles Dokument, das Finanzinstitute bei Behörden einreichen müssen, wenn sie verdächtige Geldbewegungen registrieren.

Das können Signale für Geldwäsche sein, für Korruption, Terrorfinanzierung, Drogenhandel oder einfach nur Auffälligkeiten wie mehrere Überweisungen in runden Summen oder die Beteiligung sogenannter „politisch exponierter Personen“.

Ein SAR ist keine Anklage. Es ist der für Banken vorgeschriebene Weg, Regulierungs- und Strafverfolgungsbehörden auf Unregelmäßigkeiten und potentielle Verbrechen hinzuweisen.

Da sie viele private Daten und oftmals auch Hinweise auf Verbrechen enthalten, sind SARs streng vertraulich. Banken ist es nicht einmal gestattet, ihre Existenz zu bestätigen – auch, weil das mit dem Bankgeheimnis kollidieren würde.

Wie sieht ein SAR aus?

Ausschnitt aus einem SAR. Darin wird eine Summe in Höhe von 109 Millionen Dollar als verdächtig gemeldet, die zu einem Vorgang gehört, der insgesamt 542 Millionen Dollar schwer ist.

Seit dem 1. April 2013 müssen Banken und Finanzinstitutionen ein spezielles System nutzen und Verdachtsmeldungen elektronisch einreichen. Daher sind SARs immer gleich aufgebaut. Erst kommen Tabellen mit Daten zu den Personen oder Firmen, um die es im Bericht geht. Dann die Bankkonten, um die es geht. Dann die Gesamtsumme und in kurzen Stichworten, welche Gründe die Bank für die Erstellung eines SARs sieht, zum Beispiel „verdächtige Überweisungen“ oder „Verdacht auf Geldwäsche“.

Es folgen noch Kontaktinformationen der Bank und der zuständigen Aufsichtsbehörde – und dann kommt der eigentlich interessante Teil: Er heißt Narrative.

Ein Ausschnitt aus einem SAR. Hier wird erklärt, warum dieser Bericht abgeschickt wurde.

Hier schreibt ein Analyst einer Bank alles zusammen, was eine Strafverfolgungsbehörde zu dem Vorgang wissen muss. Leider sind diese Texte sehr unübersichtlich, die eigentlich sensiblen Punkte verbergen sich mitunter zwischen den Zeilen oder sind über weit voneinander entfernte Absätze verstreut. Summen, Vorwürfe oder Verdachtsmomente werden oft nur zusammenfassend dargestellt. SARs können nur ein paar Seiten lang sein, aber auch Dutzende oder gar hunderte Seiten lang.

Wer erstellt SARs?

Banken und Finanzinstitute, Dienstleister für Währungswechsel, Aktienhändler, Casinos – alle, die am Geldmarkt teilnehmen. Sie sind dazu verpflichtet, Berichte an das Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN) des US-Finanzministeriums zu senden, wenn sie mit Dollar handeln und ihnen etwas Verdächtiges auffällt.

Das kann auch große europäische und deutsche Banken betreffen – dann nämlich, wenn sie mit Dollar zu tun haben. Versäumt es eine Bank, ein SAR zu erstellen, kann das zu Strafen und Bußgeldern führen.

Die EU hat eigene Regularien, die Verdachtsmeldungen vorschreiben, Deutschland ebenso. In Deutschland ist dafür die Financial Intelligence Unit (FIU) des Zolls zuständig.

Welche Auffälligkeiten können SARs auslösen?

  • Insiderhandel
  • Überweisungen im Zusammenhang mit Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder anderen Straftaten.
  • Seltsame Geschäfte, wie zum Beispiel ein Diamantenhändler, der eine Pizzeria für Unterwäsche bezahlt.
  • Der Kauf von auffällig großen Mengen von Banknoten.
  • Transaktionen von Personen, von denen bekannt ist oder vermutet wird, dass sie Verbindungen zu kriminellen oder terroristischen Organisationen haben.
  • Anfragen durch die Strafverfolgungsbehörden.

Dafür muss die Bank zum Beispiel aufzeichnen, wer bei ihr Wertpapiere wie Aktien kauft. Wenn Bargeldtransaktionen 10.000 Dollar übersteigen, muss das in einem Bericht erfasst werden. Außerdem ist jede Bank zu einem umfangreichen KYC-Programm verpflichtet, mit dem sie ihre Kunden identifizieren muss: KYC steht für "Know Your Customer" – „Kenne Deinen Kunden!“

Was sind die Hauptgründe für die Erstellung eines SARs?

In dem Datensatz, der die FinCEN-Files bildet, war der häufigste Auslöser der Verdacht auf Geldwäsche.

Bei Geldwäsche geht es darum, die Herkunft illegal erlangten Geldes zu verschleiern, um es legitim erscheinen zu lassen. Das kann zum Beispiel geschehen, indem es über mehrere Konten, Firmen und Länder bewegt wird.

Wenn Kriminelle ihr schmutziges Geld waschen, ist die Waschmaschine, die sie dafür benutzen, das globale Finanzsystem. Sie können das, weil das Bankensystem heute eng verflochten ist und Währungsgrenzen in Sekundenbruchteilen überwunden werden.

Geldwäsche ist – genau wie die Straftaten, die sie zu verbergen versucht – ein Verbrechen.

Sind SARs nur für Amerika wichtig?

Nein. Ein SAR geht zwar an das Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN) des US-Finanzministeriums. Die USA und ihre Partner haben jedoch ein ausgeklügeltes Verfahren zur Verfolgung von Finanzinformationen entwickelt und tauschen Daten mit 146 der 195 Länder der Welt aus – auch Daten aus SARs.

Banken sind außerdem verpflichtet, Ermittlungsbehörden dabei zu unterstützen, Geldwäsche zu verhindern und aufzudecken. Auch in diesem Fall müssen sie ein SAR einreichen – und zwar zu bestimmten Verdächtigen, die eine Behörde gegenüber der Bank benannt hat.

Das alles kann auch deutsche oder europäische Banken betreffen: Wenn sie mit Dollar handeln zum Beispiel, wenn sie eine regelmäßige Geschäftsbeziehung mit einer US-Bank haben (sogenannte Korrespondenzbanken) oder wenn sie amerikanische Töchter haben.

Wie viele SARs werden in den USA denn geschrieben?

Quelle: FinCEN

Bei der FinCEN arbeiten derzeit 270 Personen, bei der deutschen FIU sind es mehr als 400.

Und wie viele Verdachtsmeldungen gibt es in Deutschland?

Quelle: Zoll

Der deutsche Zoll veröffentlicht jährlich Statistiken dazu. Auch hier zeigt sich: Die Anzahl der Verdachtsmeldungen, die an die FIU gehen, nimmt rasant zu.

Erst vor kurzem kam es zu einem außergewöhnlichen Vorgang: Die Räume der FIU wurden von Polizei und Staatsanwaltschaft durchsucht. Der Verdacht: Die Behörde habe wichtige Hinweise nicht rechtzeitig weitergegeben, sie möglicherweise sogar unter den Tisch fallen lassen, so dass Strafermittlungsbehörden ihren Job nicht machen konnten.

Wann und wie lange müssen Banken ein SAR einreichen?

Ein SAR muss in Deutschland „unverzüglich“ und in den USA innerhalb von 30 Tagen nach Entdeckung einer möglicherweise kriminellen Aktivität eingereicht werden. Wenn für die Identifizierung von Beteiligten oder Hintergründen mehr Zeit benötigt wird, ist eine Verlängerung auf 60 Tage möglich.

Im Durchschnitt wurden die SARs, die wir im FinCEN-Files-Projekt ausgewertet haben, jedoch erst 166 Tage nach Beginn einer verdächtigen Aktivität eingereicht.

Dauert der gemeldete Vorgang an oder ist er von großer Bedeutung, entsteht dazu jedes Jahr wieder ein SAR – so dass jedes Jahr ein Mitarbeiter der Bank den Vorgang prüft und freigibt.

Was geschieht, nachdem eine Bank eine Verdachtsmeldung eingereicht hat?

Banken sind zwar befugt, eine Überweisung zu stoppen. Verpflichtet aber sind sie dazu nicht. Sie müssen lediglich einen Bericht an die Aufsichtsbehörde schreiben.

In den USA teilt FinCEN die erhaltenen Verdachtsmeldungen mit Strafverfolgungsbehörden, darunter das FBI, die US-Einwanderungs- und die US-Zollbehörden. Sie können zur Ermittlung von Verbrechen verwendet, jedoch nicht als Beweise in Gerichtsprozessen herangezogen werden.

In Deutschland nimmt die FIU Verdachtsmeldungen entgegen und gibt den Großteil davon an Landeskriminalämter und Staatsanwaltschaften ab, einen geringeren Anteil auch an die Steuerfahndung oder die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. An andere Stellen wie beispielsweise Nachrichtendienste, Zollfahndung oder Bundespolizei gehen nur rund ein Prozent der Meldungen.


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